Ein Jahr Corona. Ist das ein Grund das Training komplett schleifen zu lassen oder bringt es richtige Verbesserungen? Ich möchte in dieser Success Story einmal zeigen, was alles in einem Jahr ohne Wettkämpfe machbar ist.

Ausgangssituation

Es war der März 2020. Corona und Lockdown schlagen in Deutschland ein. Viele ambitionierten Sportler sind sich unsicher, ob der Situation. Soll ich trainieren? Soll ich nur locker trainieren? Wird es Wettkämpfe geben? Wie verhalte ich mich? Die meisten sind für ein, zwei Wochen (oder länger) in ein unstrukturiertes “Sport treiben” (im Vergleich zu ihrem strukturierten Training) verfallen. Ein paar haben eventuell auch das ein oder andere Kilo zugelegt.

In dieser Success Story möchte ich zeigen, was ein Athlet, der ein Jahr strukturiert trainiert, erreichen kann. Der Athlet dieser Erfolgsgeschichte ist männlich, mitte Dreißig und startet auf der Triathlon-Langdistanz. Als Ziel verfolgt er eine Kona-Qualifikation in den nächsten Jahren.

Ende März 2020 hat der Blick auf die Waage den Athleten in einen “Oh oh, let’s go again”-Alarmzustand gebracht. Schluss mit Pseudo-Offseason, es muss etwas getan werden. In einer Leistungsdiagnostik haben wir den Stand der Dinge ermittelt. Nachfolgend eine Übersicht der Ergebnisse. Sämtliche Diagnostiker wurden mit der INSCYD-Software durchgeführt. Sowohl als Stufentest, INSCYD Laktattest oder mit dem INSCYD Power Performance Decoder.

MetrikWert
VO2max61,29 ml/min/kg
VO2max (absolut)4591 ml/min
VLamax0,51 mmol/l/s
Fatmax6,14 kcal/h/kg @ 192 Watt
Anaerobe Schwelle291 Watt (4,0 Watt/kg)
CarbMax212 Watt (2,9 Watt/kg)
Körpermasse73,0 kg
Körperfett9,0 %

Veränderungen

Werfen wir nun einen Blick auf die Veränderung der wesentlichsten Parameter.

VO2max

Die VO2max (maximale Sauerstoffaufnahme) beschreibt die Größe deines Ausdauermotors und ist eine der wichtigsten Leistungsmerkmale. Sie wird häufig als DIE Größe für die Ausdauerleistung schlecht hin gewertet. Ist die VO2max zu gering, bringen bei einem aeroben Sport Optimierungen an anderen Größen wenig (Ausnahmen sind Technik und Ökonomie). Für die Mission “Kona-Quali” ist bei männlichen Age Groupern eine VO2max von 60 ml/min/kg “notwendig”. Die VO2max ist aber nicht die alleinstehende Metrik für einen Erfolg auf der Langdistanz. Dennoch gilt: Mehr VO2max hilft – besonders, wenn man noch viel Zeit bis zu den nächsten Wettkämpfen hat.

Veränderung der aeroben Kapazität über ein Jahr Training.

Was ist nach einem Jahr passiert? Der Test im März 2021 ergab eine VO2max von 71,84 ml/min/kg. Das ist eine Verbesserung von 14%. Das finde ich äußerst bemerkenswert! Die absolute VO2max hat sich von 4,6 L/min auf 5,1 L/min verbessert.

VLamax

Wenn die VO2max die Größe deiner aeroben Ausdauer beschreibt, dann beschreibt die VLamax die Größe deiner anaeroben Leistung. Du brauchst die anaerobe Leistung für Sprints und Attacken. Eine hohe VLamax sorgt für leistungsstarke Sprints und harte Attacken. Je höher die VLamax, desto mehr kann an dieser Stelle geleistet werden. Allerdings geht dabei auch ein grundsätzlich höherer Kohlenhydratverbrauch mit einher. Da der Athlet auf der Triathlonlangdistanz startet, ist hier also höher nicht besser, sondern schlechter. Noch keine Langdistanz wurde durch einen Sprint auf dem Rad entschieden. Jedoch jede durch die Verfügbarkeit von Kohlenhydrate. Sind diese erschöpft, so wars das.

Bei einer VO2max von 60 und größer, kann man sich grundsätzlich um das Absenken der VLamax kümmern. Welche Strategie nun für den jeweiligen Athleten richtig ist (erst VO2max hoch oder erst VLamax runter, oder oder oder) möchte ich nicht pauschalisieren. Es kommt immer auf die individuelle Situation (zum Beispiel VO2max viel zu niedrig oder VLamax viel zu hoch) und die Zeit, die bis zum Rennen bleibt, an.

Veränderung der Laktatbildungsrate über ein Jahr Training.

Die VLamax von 0,49 mmol/l/s ist in keinem alarmierenden Hoch – allerdings auch nicht “race-ready”. Über das eine Jahr an Training wurde nicht nur die VO2max um fast 9 ml/min/kg verbessert, sondern auch die VLamax um 0,18 mmol/l/s abgesenkt. Das entspricht einer Verbesserung von fast 37%.

Fatmax

Die Fettverbrennung ist der Flaschenhals in langen Ausdauersportarten wie der Straßenlauf oder Triathlon. Deine Kohlenhydratspeicher im Körper sind begrenzt und reichen in der Regel für 90 Minuten. Je besser deine Fettverbrennung, desto sparsamer gehst du mit deinen Kohlenhydraten um. Kurz gesagt: du kannst dich länger schnell bewegen.

Gerade auf der Langdistanz heißt es “it’s all about fuel”. Dein Topspeed bringt dir nichts, wenn du nicht genug Treibstoff im Tank hast, um die Ziellinie zu erreichen. Da die Kohlenhydratspeicher stark begrenzt sind, wir aber mehr als ausreichend Fettreserven für x Triathlons hintereinander hätten, ist es für die Langdistanz wichtig, so viel Leistung wie möglich aus den Fetten zu holen.

Veränderung der maximalen Fettoxidation über ein Jahr Training.

Im März 2020 schaffte der Athlet noch 448 kcal pro Stunde aus den Fetten zu versorgen (6,1 kcal/h/kg). Die maximale Leistung seiner Fettstoffwechsel hat er bei 192 Watt erreicht. Im Jahr 2021 erreichte er seinen maximale Leistung aus dem Fettstoffwechsel bei 253 Watt und setzt dabei 667 kcal/h aus Fetten um (9,38 kcal/h/kg). Das ist eine Verbesserung von 54%!

Anaerobe Schwelle

Für viele in der Triathlon- und Radsportcommunity ist die Anaerobe Schwelle, Schwelle oder FTP eine vielbedeutende Metrik. Persönlich gebe ich bei einem Langdistanztriathleten nicht so viel Bedeutung für die anaerobe Schwelle. Keine Langdistanz wird in der Nähe der Schwelle gefahren und als Gradmesser für die Fitness ist es zu einfach gedacht, ein komplexes Konstrukt (wie die sportliche Leistung) auf einen einzelnen Wert zu reduzieren. Trotzdem möchte ich die Verbesserung einmal zeigen.

Der Ausgangswert im März 2020 lag bei 291 Watt. Zur Transparenz: Der Athlet war an diesem Zeitpunkt nicht in seiner Topform, dennoch auch nicht ganz außer Form. Über Ein Jahr hat sich die anaerobe Schwelle um 74 Watt erhöht. Im März 2021 erreicht er 365 Watt. Das macht eine Verbesserung von 25% aus. Wenn wir nun noch das Körpergewicht des Athleten dazu nehmen, dann war die Ausgangssituation bei 4,0 Watt/kg und ein Jahr später bei 5,1 Watt/kg

Vergleich 2020 und 2021

Hier einmal alle Daten im Vergleich:

MetrikMärz 2020März 2021
VO2max61,29 ml/min/kg71,84 ml/min/kg
VO2max (absolut)4591 ml/min5111 ml/min
VLamax0,51 mmol/l/s0,31 mmol/l/s
Fatmax6,14 kcal/h/kg @ 192 Watt9,38 kcal/h/kg @ 253 Watt
Anaerobe Schwelle291 Watt (4,0 Watt/kg)365 Watt (5,1 Watt/kg)
CarbMax212 Watt (2,9 Watt/kg) 270 Watt (3,8 Watt/kg)
Körpermasse73,0 kg71,2 kg
Körperfett9,0 %9,2 %

Was ist an Training in der Zeit passiert?

Das Beschreiben des genauen Trainings ergibt nicht sehr viel Mehrwert, da dieses individuell für den Athleten, seine Situation und seine Bedürfnisse zugeschnitten war. Dennoch möchte ich gern die grundsätzliche Strategie des Trainings erläutern:

Bleib kontinuierlich im Training, kenne deine Baustellen und arbeite klug an diesen.

Okay, das ist jetzt vielleicht etwas sehr allgemein – also was steckt dahinter? Wichtig war für mich, dass der Athlet in Bewegung bleibt und wir an den Baustellen arbeiten. Damit das Training in Zeiten, in denen Rennen als Motivation nicht so gut funktionieren, nicht als Belastung empfunden werden, haben wir das Training auf das kleinste Maß gehalten, was noch produktiv ist. Immer mit einem langfristigen Ziel im Blick. Belastungsfähig für eine neue Saison machen, nicht überlasten, immer mit Spaß dabei. Denn ein Athlet der Spaß am Training hat, der sorgt automatisch für kontinuierliches Training. Solange kontinuierlich gearbeitet wird, so kann auch mal ein Intervalltraining zu Gunsten der Kontinuität ausfallen. Wichtig war mir, dass der Athlet nicht zu viel Schleifen lässt und in jedem Trainingsblock smart die Inhalte für seine Baustellen eingestreut sind.

Und was bringt das Ganze nun im Rennen?

Ich mag Leistungswerte. Sie zeigen Zustände, Potenziale, Baustellen und Fortschritte. Aber am Ende gewinnt nicht der Athlet mit der höchsten VO2max – sondern der, der zu erst im Ziel ist. Bringen solche Verbesserung denn auch einen Vorteil im Wettkampf? Auf jeden Fall schon einmal im Kopf! Je zuversichtlicher ein Athlet ist, desto höher ist die Bereitschaft etwas zu leisten. Aber gucken wir uns auch einmal BestBikeSplit-Simulationen für diesen Athleten und seinen ausgewählten Wettkampf für 2021 an (Roth, 5. September 2021). Dazu setzen wir – zur Veranschaulichung – die Wettkampfleistung auf sein FATmax.

Bei einer normalisierten Leistung (NP) von 192 Watt – was seinem FATmax im März 2020 entspricht, kommen wir auf einen Bike Split von 05:08:21. Bei einem NP von 255 Watt ergibt dies einen Bike Split von 4:29:32. Eine Differenz von fast 40 Minuten! Na wenn sich dafür nicht ein Jahr Training lohnt!


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